Wie wird Rohmilch-Käse hergestellt?
Was braucht es, damit man die Blumenwiesen im Käse schmecken kann?
Affineur Walo verrät Mirijam die Geheimnisse des perfekten Blumenwiesenkäse mit natürlicher Rohmilch. Das Grundrezept ist einfach, wie Kuchen backen. Die grosse Kunst ist die Feinabstimmung und ein optimales Netzwerk, in welchem jeder mit Freude sein bestes gibt.
……….Aber lies selbst:
Ich bin auf dem Rückweg von einem Symposium in München, 2 Tage ging es um feines Essen und Trinken. Es ist ein herrlicher Sonntagmorgen im Mai, die Sonne blendet, die Strasse ist frei, die Wiesen saftig und die Kühe sind auf den Feldern. Da weckt mich mein Telefon aus meinen Tagträumen. Mirijam, meine Texterin, ruft ganz aufgeregt an. Sie hätte von einer Lebensmittelzeitung den Auftrag erhalten einen Artikel zu schreiben und würde das gerne mit mir tun.
Thema: Wie produziere ich den perfekten Blumenwiesen-Käse mit unbehandelter Rohmilch. Typisch Mirijam, das Thema hat sie gefesselt (es geht ja auch um Essen) und sie wusste, bei wem sie das fehlende Wissen bekommen konnte.
Ich hatte eigentlich ein paar ruhige Tage geplant, aber ich konnte sie ja nicht im Stich lassen. Außerdem ging es um mein Lieblingsthema.
Das Ziel des Textes: Jeder kann danach den perfekten Blumenwiesen-Käse herstellen.
Mirijam war etwas unsicher, ob sie wirklich das Produktions-Geheimnis des perfekten Blumenwiesen-Käses verraten kann? Ich sagte, wenn’s nur dass ist: Kein Problem. Aber den Artikel schreiben musst Du selbst.
Doch wie entsteht ein Text über Blumenwiesen Käse? So oder so ähnlich könnte sich unser Reise abgespielt haben:
Zuerst war die Wiese ...
Am Dienstag stand Sie vor mir mit grünen Haaren und die hellen Augen versteckt hinter einer riesigen Brille. Sie war wissbegierig, nervös und wollte sofort los. Wir fuhren an ein paar Weiden vorbei und bei einer dieser Weiden mit ca. 20 Kühen hielt ich an und stieg aus.
Die Kühe mampften genüsslich Gras und Blumen und erfreuten sich der Sonne. Das Gesicht von Mirijam wurde immer fragender, ich sagte Ihr: “Mach ein paar Fotos und versuch einzufangen, was Du siehst.”
Mehr verriet ich nicht, ließ sie einsteigen und sie dachte jetzt geht es wohl in die Käserei. Denn schliesslich wollte sie alle Fabrikationsgeheimnisse kennenlernen. Doch bei der nächsten Kreuzung bog ich ab und wir landeten auf einem Bauernhof. Einem großen Bauernhof mitit 40 Kühen und einer gewaltigen Scheune. Wieder stieg ich aus und bat Mirijam mir zu folgen. Sie war schon hibbelig und wollte endlich in die Käserei. Doch ich hatte andere Pläne.
Im Stall war der Bauer dabei das Melkgeschirr vorzubereiten. Er arbeitete sehr sorgfältig, das Geschirr war peinlich sauber, die Milchkannen glänzten. Wieder bat ich meine Texterin ein paar Fotos zu machen. Dann gingen wie in die Scheune über dem Stall, ein großer fast leerer Raum, ganz hinten hatte es noch etwas Heu vom letzten Sommer, und einige Strohballen.
Mirijam hatte so langsam keine Geduld mehr ... schließlich ging es ihr um die Produktion-Geheimnisse und nicht um Kühe, melken und Scheunen, Heu und Stroh.
Ich lachte nur, stieg wieder ins Auto und sagte zu Mirijam, für heute reichts. Morgen früh 4.30 Uhr geht’s weiter. Sie schaute mich ungläubig an und dachte wohl ich würde nur ihre Zeit verschwenden. (Aber sie musste ja diesen Artikel schrieben und war auf mich angewiesen;)
… dann war die Milch ...
4.30 Uhr es war noch dunkel, wir fuhren los, erneut an der Weide mit den Kühen vorbei. (Mirijam hatte schon Angst, dass ich wieder anhalte.)
Doch diesmal nicht. Aber ich bog auch heute auf den Bauernhof ab. Der Bauer war gerade fertig mit melken und füllte Milch in die Milchkannen. Diese stellte er in sein Auto und fuhr los, wir hinten nach. Mirijam fragte mich neugierig, wohin es jetzt geht. Ich antwortete, dass wir dem Bauer zur Käserei folgen.
Sie stellte sich auf eine längere Fahrt ein, aber nach 5 Minuten tauchte die Käserei auf. Je kürzer der Transport, desto besser ist die Milch.
Ihr Gesicht erstrahlte: Endlich lernte sie die Geheimnisse der Produktion kennen.
Wir stiegen aus und schauten zu, wie der Bauer seine Milchkannen lehrte. Dann begrüßten wir kurz den Käser - er hatte wenig Zeit, der nächste Bauer war schon in Sichtweite. Wir gingen uns umziehen, legten Überschuhe an, wuschen die Hände, jetzt durften wir in die Produktionsräume.
Mirijam war erstaunt, wie klein diese waren. Alles war praktisch mit einem Schritt erreichbar. Zentral stand ein großer Kupferkessel, der halb voll war. Die Milch, die reinkam, lief durch viele Leitungen. Maschinen arbeiteten und veranstalteten ziemlichen Krach.
Ich erkläre ihr, dass der Käser zuerst eine Probe der Milch nimmt, diese wird er dann später analysiert und eingefroren. Die Probe wird aufbewahrt, falls sich in ein paar Monaten Fehler im Käse bemerkbar machen. Dann kann analysiert werden, welcher Bauer schlechte Milch lieferte. Ganz wichtig bei der Käseproduktion ist, dass keine Antibiotika in der Milch sind.
Die frische Milch läuft zuerst durch ein Sieb und von dort in die Zentrifuge. In dieser wird ein Teil des Rahm aus der Milch geschleudert. Dann geht die Milch weiter zum halbvollen Kupferkessel.
Mirijam war erstaunt, wie einfach das war und Sie fragte mich, ob die Milch nicht noch weiter behandelt werden müsste. Ich sagte nein, wie Du gesehen hast, stammt diese Milch von Kühen, die Gras und Heu bekommen. Sie ist bereits perfekt. Nur wenn die Kühe vergorenes Gras (Silofutter) bekommen, dann müssen wir einige Zusatzschritte einbauen.
Denn in diesem Fall muss die Milch von schädlichen Bakterien gereinigt werden. Durch Baktofugation oder Microfiltration. Doch damit wird die Milch so rein, dass Sie keinen Geschmack mehr hat. Meistens wird die Milch danach auch noch pasteurisiert, das heißt auf 72° erhitzt. Beim Blumenwiesen-Käse brauchen wir dies nicht, einzig bei Schnittkäse wird ein Teil der Milch auf 68° erhitzt, bei Hartkäse können wir dies ganz weglassen.
Der Kupferkessel füllte sich langsam, die Temperatur lag exakt bei 32°. Der Käser nahm einen Kessel und schüttete etwas hinein, das wie Joghurt aussah, rührte es kurz auf und schüttete das Ganze in die Milch.
Mirijam fragte verwundert, was er dort macht? Ich erklärte Ihr, dass dies die Starterkulturen sind, die der Käser am Vortag angesetzt hat. Es ist wie ein saures Joghurt. Die Starterkulturen oder Milchsäurebakterien sind verantwortlich für den Geschmack und die Reifung des Käses. Diese Milchsäurebakterien, die wir verwenden gibt es nur in der Schweiz. Sie stammen von Agroscope, dem zentralen Labor, dass für alle Schweizer Käse die Kulturen herstellt, diese werden dann wiederum mit den eigenen Kulturen der Käsereien gemischt. Mit anderen Worten jede Käserei hat ein Geheimrezept.
30 Minuten später, der Kessel ist jetzt voll mit 6'000 l Milch. Der Käser nimmt wieder einen Kessel, schüttet eine genau abgemessene gelbe Flüssigkeit hinein und füllt mit Wasser auf, das Ganze wird wieder in die Milch geschüttet. Das Rührwerk im Kessel dreht dabei langsam seine Runden.
Plötzlich kommt Action auf. Der Käser hält das Rührwerk an und wechselt die Schaufeln gegen ein Gerät mit feinen Drähten, das fast wie eine Harfe aussieht. Das Rührwerk steht still und der Käser lädt uns zum Kaffee ein. Wir sitzen gemütlich in der Küche bei Kaffee, Konfitüre, Butter und Brot - Mirijam etwas verwirrt, weil sie nicht versteht, was geschieht.
Der Käser erklärt, dass es sich bei der gelben Flüssigkeit um Lab handelt. Lab ist ein Enzym, dass man zugibt, damit die Milch Gallerten ähnlich wird. Es gibt 3 Arten von Lab. Zum einen Tierisches, das aus Mägen von Kälbern, Ziegen oder Schafen gewonnen wird. Und dann noch Pflanzliches oder Mikrobielles, welches aus Pilzen hergestellt wird.
Wir haben heute tierisches verwendet. Das Lab ist auch ein Geschmacksträger und da wir einen kräftigen Käse wollen, war dies unsere Wahl.
Und was hat es mit der komische Harfe in der Milch auf sich? Ganz einfach: Nach etwa 20 – 30 Minuten wird die Milch eine feste Gallerte sein und mit der Harfe werden wir diese in kleine Stücke schneiden.
… dann der Käsebruch ...
Die Kaffeepause ist fertig, wir sind wieder in der Käserei und stehen am Kessl. Der Käser prüft mit einer Kelle und dem Finger die Festigkeit der Milch, wartet noch ein bisschen, prüft wieder. Ich sage Mirijam sie soll auch mal testen. Zögernd nimmt sie einen Finger und greift unter die Milch und schaut und fühlt, wie sie bricht. Jetzt lässt der Käser den Motor laufen und die Harfe fängt an zu schneiden. (Mirijam hat ihre Finger natürlich vorher aus dem Kessel gezogen;)
Ich erkläre ihr, dass der Zeitpunkt entscheidend ist. Wenn du zu früh oder zu spät mit Schneiden anfängst, dann wird das nichts mit dem Käse.
Die Harfe dreht ihre Runden in der Milch und die Stücke werden immer kleiner, der Käser geht zu einem grossen Buch und schreibt etwas hinein. Mirijam fragt wieder neugierig nach, was er da macht. Er erklärt Ihr, dass er immer aufschreibt, wie viel Milch er verarbeitet, wann die Kulturen beigegeben werden, wie lange das Lab wirkt usw., damit könne er analysieren wie sich kleinste Veränderungen auf den Käse auswirken und so seine Produktion über die Jahre optimieren.
Die Stücke im Käsebruch sind jetzt ca. 1 - 0.5 cm groß. Der Käser hält die Harfe an und tauscht diese wieder gegen die Rührschaufeln aus. Jetzt wird gerührt und es wird langsam heiß. Die Masse muss auf 55° erhitzt werden. Das ist beim Hartkäse üblich. Bei Schnittkäsen wird die Masse nur auf 34 – 44° erhitzt, daher erhitzen wir vorher einen Teil der Milch.
Der Käser bereitete die Pressformen vor und beginnt jetzt langsam den warmen Käsebruch in die Pressformen zu pumpen. Früher hatte man keine Pumpen, da wurde der Käsebruch mit einem Netz herausgehoben.
Nach ca. 30 Minuten ist der Kessel leer und die Pressformen gefüllt. Der Käse wird über. 2 Stunden hinweg gepresst. In dieser Zeit putzt der Käser die Käserei und räumt auf. Danach sind die Käse fertig und können jetzt in einen Abtropfraum, in dem sich die Milchsäurebakterien über einen Zeitraum von ca. 8 std entfalten können und der PH Wert des Käses sinkt. Da keine Produktion mehr geplant ist, lässt der Käser die Käse einfach in den Formen und wird diese dann am nächsten Morgen auspacken und ins Salzbad legen.
… und erst dann war der Käse:
Im Keller zeige ich Mirijam das Salzbad. Hier drin werden die Käse 24 Std. abgekühlt und nehmen dabei etwas Salz auf. Je härter der Käse ist, desto länger müssen sie ins Salzbad. Extra-Hartkäse mindestens 12 std. pro KG Käse, beim Sbrinz der 30 kg wiegt, macht das 15 Tage. Da braucht es ein großes Bad, damit Du jeden Tag produzieren kannst.
Danach geht’s weiter in den Reifekeller, dieser ist ca. 14 Grad kalt und sehr feucht. Die Jungen Käse sind noch hell und werden jeden Tag gewendet und mit Salzwasser abgerieben, die Älteren haben eine schöne braune Farbe und werden weniger oft abgerieben. Die Ältesten sind fast dunkelbraun und müssen nur noch aller 2 Wochen gewaschen und gewendet werden. Früher war das Handarbeit heute steht ein Roboter im Keller. Die Braune Farbe auf dem Käse kommt von einem weiteren Milchsäurebakterium dem «Brevibacterium linens» kurz Linens.
Ich erklärte Mirijam, dass die Temperatur der entscheidende Faktor ist. Je wärmer der Keller ist, desto mehr Feuchtigkeit kann die Luft aufnehmen und desto weniger trocknet der Käse aus. Er bleibt schön geschmeidig und cremig. Aber Achtung: Je wärmer der Keller ist, desto häufiger treten Käsefehler in den Vordergrund.
Wenn der Käse perfekt gereift ist, wird er versandbereit gemacht. Dieser Teil der Reise wird oft vernachlässigt, dabei ist sehr wichtig, dass der Käse geschützt wird und nicht in irgendeinem Kühlhaus bei 5° austrocknet. Viele Käsehersteller versiegeln jetzt die Käse mit Natamycin E235 ein Antibiotikum, dass die Schimmelbildung verhindert. Beim Blumenwiesen-Käse ist dies nicht erlaubt, auch sonst werden keine Konservierungsstoffe eingesetzt.
Das kann man leicht selbst kontrollieren: Es reicht die Zutatenliste zu lesen und sobald da E Nummern stehen, muss man vorsichtig sein. Beim Blumenwiesen-Käse stehen als Zutaten nur mit natürlicher Rohmilch, natürlichen Starter Kulturen, Lab und Salz. Kleiner Tipp:
Wenn der Genuss zu Hause perfekt sein soll, dann sollte auch Zuhause der Käse nicht im Kühlschrank austrocknen, also luftdicht einpacken. Am besten genießt man Käse bei Zimmertemperatur ca. 18°.
Und so sammelt man Infos für einen Zeitungsartikel.
Mirijam war zufrieden und hatte jetzt genug Material für ihren Text beisammen. Aber bevor sie mit dem Schreiben begann, drehte sie sich um und fragt mich, wieso ich sie am Vorabend zu dieser Wiese und dem Bauern geschleppt hatte?
Ganz einfach, das ist das Geheimnis des perfekten Käse.
Wenn die Kühe schlecht behandelt werden, keinen Auslauf haben, unglücklich sind und Ihr Futter nicht passt, dann wird das nichts mit der Milch und dem Käse.
Den perfekten Käse gibt es nur, wenn alle in der Kette von der Kuh bis zu Käsetheke glücklich und zufrieden sind und mit Freude Ihr Bestes geben. Genau das braucht es, damit Käse nach Blumenwiesen schmeckt.